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Ehre sei dem Vater

Wer einmal beim Stundengebet der Ordensschwestern und –brüder dabei war, hat festgestellt: Auf jeden gebeteten Psalm folgt ein „Ehre sei dem Vater…“. Wie lässt sich diese Gebetsformel, die auch zum Rosenkranzgebet dazu gehört, deuten? Eine besonders schöne Auslegung stammt von Schwester Angela Gamon OSB von der Abtei Herstelle:

„Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen“

Einem anderen die Ehre geben. Was bedeutet das? Bedeutet es überhaupt noch etwas? Wir reden viel von „Ich-Findung“, von „Selbstverwirklichung“ und „Selbstentfaltung“, von „Unabhängigkeit“ und „Selbständigkeit“. Wir meinen, auf all das einen Anspruch zu haben. Laut gestellt oder im Herzen bohrend beschäftigt uns vor allem die Frage: In welcher Beziehung stehen die Dinge, stehen die Menschen zu mir? Der Bezugspunkt bin ich. Dem anderen gilt oft erst der zweite Gedanke.

„Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen“

Gott die Ehre geben. Das heißt zuerst und vor allem, zustimmend anerkennen: Gott ist wichtiger als ich. Auf ihn bin ich hin geordnet, von ihm bin ich abhängig – so total abhängig, dass ich ohne ihn gar nicht wäre. Paradoxerweise engt diese Abhängigkeit nicht ein, sondern führt vielmehr ins Weite.

„Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen“

Mit Leben in Fülle möchte Gott uns – auch mich! – beschenken. In Jesus Christus hat er seiner Liebe zu uns Gestalt gegeben. Kreuz und Auferstehung des Sohnes sind Unterpfand dafür. Bevor der Sohn zum Vater heimkehrte, hat er uns vom Vater „einen anderen Beistand“ (Joh 14,16) erbeten, in ihm, dem Heiligen Geist, ist Gott uns „für immer“ präsent. Wenn ich bete: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“, bekenne ich mich zu diesem Gott, binde ich mich an diesen Gott, überantworte ich mich diesem Gott, berge mich hinein in diesen Gott, suche ihn in dem, was mir begegnet, zu erkennen.

„Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen“

Ich bete so und vertraue darauf, dass Gott auf mich wartet, sich von mir finden lassen will. Durch alles, waser mir auf den Weg schickt und zumutet: Freude und Leid – eigenes und das derer, die so oder so zu mir gehören, mir aufgegeben sind, durch die er mir begegnen will, denen er durch mich begegnen will. Indem ich mich auf diesen Gott hin loslasse, indem ich mich hinein wage in die Begegnung mit Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, erfahre ich: Gott ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Auch für mich. Da gibt es nur noch eines: Nach seinen Spuren Ausschau halten, seiner Stimme entgegenlauschen – auch und gerade inmitten der Betriebsamkeit oder der Eintönigkeit meines Alltags.

„Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen“

Den täglichen Anforderungen bin ich damit keineswegs enthoben. Kummer und Freude, Krankheit, Leid, Bedrängnisse und Schwierigkeiten wollen und müssen nach wie vor bestanden werden. Aber Entscheidendes hat sich verändert: Mein Bezugspunkt ist ein anderer geworden. Er heißt nicht mehr „Ich“, sondern „Gott“. Darum in jeder Situation – wie schön oder wie schwer sie auch sein mag: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.“ Nicht mehr als Schlussformel, sondern als von mir gefundene Wegspur, als meine Wegspur. Weil Gott treu ist, darf ich hinzufügen: „Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.“

Schwester Angela Gamon OSB, Abtei Herstelle (www.abtei-herstelle.de)

Überarbeiteter Beitrag aus: Mit der Bibel durch das Jahr 1997, hrsg. von Maria Jespen, Walter Kaspar, Eduard Lohse u. a., Stuttgart 1996, 371-372.

Quelle: www.katholisch.de/